'Manuel und Amande' B
F-ta3u
General Information
Schreibsprache: ostmitteldeutsch-ostfränkisches Grenzgebiet
Kodikologie:
- 'Manuel und Amande' B wurde im Einband einer Papierhandschrift aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts der St. Galler Kantonsbibliothek Vadiana aufgefunden, Ms. 462. Von 'Manuel und Amande' B haben sich vier Querstreifen eines fast vollständigen Doppelblattes (zweispaltig, 32 Verse pro Spalte) erhalten. In demselben Einband wurde auch das Fragment 'Tandareis und Flordibel' G des Pleier aufgefunden. Von 'Tandareis und Flordibel' G sind noch 22 Streifen überliefert, welche zu zwei Doppelblättern zusammengesetzt wurden. Beide Fragmente gehörten ursprünglich derselben Handschrift an, sie wurden aber von zwei unterschiedlichen Händen abgeschrieben.
- Die Handschrift ist in einer Textualis aus dem zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts (vgl. Achnitz, 2011, S. 138) geschrieben. Dafür sprechen das zweistöckige a, das als "Leitbuchstabe" des 14. Jahrhunderts gilt (Schneider, 2014, S. 44), das Schrumpfen der unteren g-Bögen, die Verlängerung der unteren Schäfte der Buchstaben h, welche mit einem nach links umschwingenden feinen Strich verziert sind, die i-Striche, sowie die moderne Form des Buchstabens k (vgl. Schneider, 2009, S. 8–9).
- Vom fragmentarisch überlieferten Artusroman 'Manuel und Amande' sind neben dem St. Galler Fragment zwei Einzelblätter und drei ineinanderliegende Doppelblätter einer anderen Handschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts im Konventarchiv des österreichischen Franziskanerklosters in Schwaz aufgefunden worden. Signatur: Lade O, Frag. germ. 1. (Sigle: A)
Inhalt:
- Reste eines Artusromans aus dem 13. Jahrhundert. Im Mittelpunkt der Handlung steht das Paar Manuel und Amande: Er ist der Sohn des Königs von Griechenland, sie ist eine Königstochter aus Spanien. 'Manuel und Amande' gehört zu einer Gruppe von Artusromanen, deren Setting sich, wie im altfranzösischen 'Cligès' Chrétiens de Troyes oder in 'Tandareis und Flordibel' des Pleier, in den mediterranen Raum erstreckt.
Original Condition
Content
-
Content Item
- Text Language Ostmitteldeutsch
- Title 'Manuel und Amande' B
-
Content Description
In der Mitte des St. Galler Doppelblattes fehlt mindestens ein weiteres Doppelblatt, so dass zwei Episoden überliefert sind:
- Eine Königin, vielleicht Ginover, dankt (dem Ritter?) Blier für die ihr geleistete Hilfe. Sie teilt ihrer Gefolgschaft mit, dass die spanische Königstochter Amande bald an einem nicht genau definierten Hof ankommen wird, und fordert sie auf, Amande Manuels Anwesenheit zu verschweigen. Nach Amandes Ankunft begleitet sie die Königin nach Karidol, wo ein Hoffest stattfinden soll. Herr Jonas begibt sich unterdessen nach Manuel, den er in Gedanken versunken findet. Manuel beklagt sich darüber, dass er nicht die Entscheidung habe treffen können, in wen er sich verliebt habe, und dass er dem Rad der Fortuna ausgeliefert sei.
- Dialog zwischen einer Dame und einem Ritter über dessen abwesende Geliebte: Die Geliebte kann die Wunden des Ritters (durch ihre Liebe?) heilen, als ob sie eine Arznei, ein tyrîacke, wäre. Der Ritter begibt sich dann zu seiner Geliebten, um eine Beleidigung zu rächen. Ginover tritt auf, der Ritter verabschiedet sich und trifft auf Jonas. Jonas wirft ihm vor, die triuwe seiner Dame gebrochen zu haben, und nennt ihn einen Betrüger. Die beiden verabreden sich zu einer Tjost, welche am folgenden Tag stattfinden soll. Sie begeben sich auf den Kampfplatz, um sich eine vesperîe, d.h. ein Lanzenrennen am Vorabend eines größeren Turniers, zu liefern. Manuel, der die zwei Kämpfer sieht, bittet König Artus darum, mit ihm zu tjostieren. Im Kampf gegen König Artus werden (mindestens) neun Speere gebrochen. Nach dem neunten bricht das Fragment ab.
Der zweite Teil des St. Galler Doppelblattes überschneidet sich mit den in Schwaz aufgefundenen Einzelblättern ('Manuel und Amande' A1/2). Die drei auch in Schwaz aufgefundenen, ineinanderliegenden Doppelblätter überliefern einen Epilog, in dem u.a. Manuels und Amandes Hochzeit am Artushof und der Tod König Artus' durch eine monströse Katze thematisiert werden.
History
Herkunft unbekannt, vielleicht in den südlichen Gebieten des ostmitteldeutschen Raums an der Grenze zum nordbairisch-ostfränkischen Sprachraum entstanden.
'Manuel und Amande' B wurde im Rindsledereinband der Papierhandschrift, St. Gallen, Kantonsbibl., VadSlg Ms. 462, aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts (1470–1479), welche Antonius’ von Pforr ‚Buch der Beispiele‘ überliefert und aus dem Umfeld des württembergischen Grafen Eberhard im Bart stammt. Was den Trägerband anbelangt, weisen Notizen aus dem 16. Jahrhundert auf fol. 47r Hans und fol. 118r Hanns Staigmiller vielleicht auf einen ehemaligen Besitzer der Handschrift hin; ein Stempel der vadianischen Bibliothek, wo die Handschrift heutzutage immer noch aufbewahrt wird, aus dem 19. Jahrhundert ist auf fol. 254v zu sehen.
Bibliography
-
Zingerle, Oswald, Manuel und Amande. Bruchstücke eines Artusromans, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 26 (1882), S. 297–307
-
Steinhoff, Hans-Hugo, Manuel und Amande, in: 2Verfasserlexikon 5 (1985), Sp. 1225–1226.
-
Schiewer, Hans-Jochen, Ein ris ich dar vmbe abe brach/ Von sinem wunder bovme. Beobachtungen zur Überlieferung des nachklassischen Artusromans im 13. und 14. Jahrhundert, in: Deutsche Handschriften 1100 – 1400: Oxforder Kolloquium 1985, hg. von Volker Honemann, Tübingen 1988, S. 222–278, hier S. 238.
https://freidok.uni-freiburg.de/data/6830 -
Achnitz, Wolfgang, Die ältesten Fragmente zu ‚Tandarios und Flordibel‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 138 (2009), S. 185–196.
-
Schneider, Karin, Gotische Schriften in deutscher Sprache. II. Die oberdeutschen Schriften von 1300 bis 1350. Textband, Wiesbaden 2009.
-
Achnitz, Wolfgang, Verlorene Erzählwelten. Zum poetologischen Ort fragmentarischer Artusromane am Beispiel der Neufunde zu ‚Manuel und Amande‘, in: Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Festschrift für Kurt Gärtner zum 75. Geburtstag, hg. von Ralf Plate und Martin Schubert, zusamme mit Michael Embach, Martin Przybilski und Michael Trauth Berlin und Boston 2011, S. 132–164.
-
Achnitz, Wolfgang, Deutschsprachige Artusdichtung des Mittealters. Eine Einführung, Berlin und Boston 2012, S. 239–246.
-
Schneider, Karin, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, 3. Auflage, Berlin und Boston 2014 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte, Ergänzungsreihe).